Fachhochschule Frankfurt, Fachbereich Sozialpädagogik
Mai/Juni 1992
Seminar Existenzkonzepte
Dozent: Wolfgang Scherer
Referent: Frank Doerr
Thema: Thesenpapier Die RICH-Ökonomie – negative Einkommenssteuer, garantiertes Jahreseinkommen und nationale Dividende
Grundbehauptung des Autors Robert Anton Wilson:
Arbeitslosigkeit ist keine Krankheit. Aus diesem Grund gibt es auch kein Heilverfahren dagegen. Arbeitslosigkeit stellt die natürliche, gesunde Folgerung einer technologisch weit fortgeschrittenen Gesellschaft dar. Arbeit dagegen ist Lohnsklaverei und behindert den Menschen in seiner Entwicklung.
Existenzkonzepte:
1. Die nationale Dividende
(entwickelt von C. H. Douglas, sowie Ezra Pound und Buckminster Fuller): Jeder Bürger wird zum Teilhaber an der Nation erklärt und erhält Dividenden auf das jährliche Brutto-Sozialprodukt. Die Dividenden dürfen aus Inflationsgründen das BSP nicht übersteigen, dennoch würde jeder Wohlfahrtsempfänger mindestens fünf Mal soviel erhalten wie bisher.
2. Das garantierte Jahreseinkommen
(Von Robert Theobald und anderen): Wenn das Einkommen unter eine bestimmte Grenze sinkt (die über der Armutsgrenze liegt), gleicht die Regierung diese Differenz aus. Menschen ohne Einkommen erhalten das garantierte Jahreseinkommen in voller Höhe.
3. Die negative Einkommenssteuer
(v. Milton Friedman): vergleiche Referat vom 21.05.92
Update 07.04.15: Siehe auch Zeit-Artikel „Grundeinkommen ist die wahre Revolution“, Seite 3: „1964 erklärte der US-amerikanische Präsident Lyndon Johnson den Krieg gegen die Armut. Sein „Amt für wirtschaftliche Chancen“ startete Versuche zur negativen Einkommensteuer, wie der US-Ökonom Milton Friedman sie propagierte. Bürger, die ein bestimmtes Jahreseinkommen nicht erreichten, sollten Geld vom Staat bekommen.“
4. Die RICH-Ökonomie
(von L. Wayne Benner und R. A. Wilson): Es handelt sich hier um ein Vier-Stufen-Programm, um die Gesellschaft auf die Kybernetik und die Raumzeitalter-Zukunft auszurichten. RICH bedeutet „Rising Income trough Cybernetic Homeostasis“ (Steigendes Einkommen durch kybernetisches inneres Gleichgewicht).
Stufe 1: Erkenntnis, dass Kybernetik und große Arbeitslosigkeit unvermeidbar sind, wobei letztere zu fördern ist, beispielsweise dadurch, dass ein Arbeiter für die Erfindung einer Maschine, die ihn ersetzen kann, 100.000 Dollar Belohnung erhält.
Stufe 2: Einrichtung der negativen Einkommenssteuer oder des garantierten Jahreseinkommens.
Stufe 3: Führung des garantierten Jahreseinkommens auf die Ebene der nationalen Dividende.
Stufe 4: Große Investitionen auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung, da
- sich in einer arbeitsfreien Gesellschaft mit der Zeit trotz aller Ablenkung Langeweile ausbreitet und
- die Menschheit ihrem Evolutions-Programm folgen sollte, wie sie Dr. Timothy Leary in seinem S.M.I.L.E.-Programm definiert hat: Space Migration (Auswanderung ins All), Intelligence increasse (Intelligenz-Steigerung) und Life Extension (Lebensverlängerung).
Arbeit wird in diesem Kontext also nicht mehr aus wirtschaftlicher Notwendigkeit (Sicherung des Bio-Überlebens) erfolgen, sondern als psychologisches Bedürfnis und dient damit als Ventil für kreatives Potential.
Quelle: Robert Anton Wilson: Die Illuminati-Papiere, Sphinx Verlag, Basel, 1981
Aktuelle Ressourcen zum Thema
Da dieses Thesenpapier von 1992 stammt, es seitdem aber immer wieder neue Entwicklungen, gerade zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen gibt, verlinken wir hier auf aktuelle Ressourcen:
- Dmytri Kleiner: Warum das bedingunslose Grundeinkommen eine neoliberale Idee ist, die dich ärmer machen wird – Ein interessanter Artikel, der aus meiner Sicht allerdings wichtige Punkte ignoriert. Beispielsweise die massive Einsparung von Verwaltungskosten und Verwaltungsprozesse (siehe Kommentar Nr. 7).
- Martin Oetting: Das bedingungslose Grundeinkommen: aus meiner Sicht eine politische und gesellschaftliche Bankrotterklärung.Eine konstruktive und sinnvolle Kritik am BGE. Zwei Zitate:
Freiheit entsteht nicht, indem verhindert wird, dass man krepiert. Freiheit entsteht, wenn man sich in der Gesellschaft, in der man lebt, zugehörig, eingebunden, wahrgenommen fühlt, Zugang zu Möglichkeiten und die Chance hat herauszufinden, wie man seine Zeit auf dieser Erde sinnvoll nutzen kann. […]
Das BGE wäre der finale Akt, um die letzte Bindung der Unternehmen an die gesellschaftlichen Zustände um sie herum einzureißen.
Was wir heute brauchen, ist das Gegenteil: dass die Unternehmen wieder mehr Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen, dass der Art. 14 GG wieder eine Rolle spielt, dass wir uns der engen Verflechtung zwischen wirtschaftlichem, gesellschaftlichem und ökologischem Handeln endlich wieder bewusst werden, und diese Verflechtung wieder gestalten – im Sinne der Gesellschaft und der Welt. Und nicht nur im Sinne der Shareholder oder Investoren